Haushaltsrede 2022

In der letzten Ratssitzung am 28.04.2022 wurde über den Haushalt der Stadt Zülpich abgestimmt. Unsere GRÜNE Haushaltsrede und die Gründe für unsere Zustimmung zum Haushalt können sie hier nachlesen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben in der letzten Sitzung des Strukturausschusses ein „Wunder“ erlebt, wie es in Zülpich nicht einmal alle zehn Jahre vorkommt.

In dieser Sitzung – in einer Zeit, in der die Notwendigkeit, fossile Energie sparen zu müssen, auch bei den Letzten angekommen ist – hat der Ausschuss tatsächlich mehrheitlich beschlossen (und hoffentlich auch begriffen), dass auch in Zülpich etwas für den Klimaschutz getan werden muss, was über Lippenbekenntnisse und Selbstbeweihräucherung hinausgeht. In Zülpich sollen die Positionen eines/r Klimaschutz- und eines/r Energiemanagers/in dauerhaft eingerichtet werden.
Es hat uns wirklich sehr gefreut, dass damit ein zentraler und überaus wichtiger Punkt unseres Wahlprogramms angegangen wird.

Leider ist es damit noch nicht getan. Die Konzepte, die durch das Klimaschutz- und Energiemanagement entwickelt werden, müssen auch zeitnah umgesetzt werden, nicht erst nach der nächsten Krise.

Zur Erläuterung sei erinnert:
Im Jahr 2011 reifte in Zülpich erst, nachdem das AKW Fukushima durch einen Tsunami zerstört worden war, die Einsicht, dass Strom aus erneuerbaren Quellen für die Zukunft unverzichtbar ist. Und erst zu diesem Zeitpunkt wurde eine Windkraftkonzentrationszone eingerichtet und kurz danach Zülpichs bislang einzige sieben Windkraftanlagen bei Wichterich in Betrieb genommen.

Spätestens durch die schreckliche Flutkatastrophe vom vergangenen Sommer müsste allen klar sein, dass wir nicht mehr so sorglos wie bisher Flächen verbrauchen dürfen. Doch diese Einsicht lässt leider in Zülpich noch auf sich warten, wie die Planung der Seeterrassen mit ihrem massenhaften Flächenverbrauch und nicht ansatzweise bezifferten ökologischen Folgekosten eindrucksvoll zeigt. Bei der aktuell geplanten Schließung von Baulücken wird zum Teil über die Erfahrungen mit der Flut vom letzten Jahr hinweggegangen.

Wir brauchen dringend Bäume, um CO2 zu speichern. Doch in Zülpich ist beabsichtigt, einen Kindergarten auf einer neu entstehenden klimaresilienten Waldfläche im Landschaftsschutzgebiet zu errichten. Wir bauen die Römerallee um. Trotz des Wissens, dass Alleen, wie die bis Ende Februar noch  vorhandene, wichtig für den Schutz des Klimas sind, wurden in einer Hau-Ruck-Aktion und ohne haltbare Überprüfung erst mal sämtliche existierende, gesunde Bäume gefällt. Erst jetzt starten Überlegungen, ob und wo man dem Zeitgeschmack entsprechende Bäume von einer einigermaßen stattlichen Größe aktuell überhaupt beschaffen kann. Es fehlt die Einsicht, dass dieses „Straßenbegleitgrün“ erst wachsen muss, dass es sich nicht um Möbel handelt, die man einfach gegen andere austauschen kann.

Die Fällaktion hätte man, sollte sie so komplett überhaupt nötig gewesen sein, zugunsten des Klimas gut noch ein Jahr verschieben können, denn mittlerweile zeichnet sich ab, dass wir möglicherweise gar nicht mehr in der Lage sein werden, das zur Verfügung stehende Geld in diesem Jahr auszugeben.

Im Haushaltsentwurf finden sich für 2022 neue geplante Investitionen in Höhe von insgesamt 13 Mio €, die sich mit den noch umzusetzenden Planungen der letzten Jahre auf eine Summe von insgesamt 27 Mio € für das angebrochene Jahr 2022 erhöhen.

Das zeigt ein Dilemma, das Zülpich mit anderen kleinen Kommunen teilt:

Nur ein Teil der geplanten Investitionen ist aus unterschiedlichsten Gründen zeitnah umsetzbar. Mal fehlt es an Personal zur Umsetzung oder mindestens Kontrolle der Umsetzung von Maßnahmen, mal kommen keine Ausschreibungsergebnisse im gesetzten Rahmen zustande, mal gibt es überhaupt keine Resonanz auf Ausschreibungen, mal fehlt Material oder notwendiges Fremdpersonal, mal müssen einfach neuere Maßnahmen vorgezogen werden und alte fallen noch weiter zurück.

Selbst, wenn keine Fördermittel durch die Verzögerungen verlorengehen, verlieren doch so manche anstehende Projekte mit der Zeit an Relevanz oder werden nicht abgeschlossen. Als tatsächlich nicht vollendete Maßnahme sehe ich zum Beispiel den Schulcampus, dessen dritter Bauabschnitt sowieso noch aussteht, bei dem es von Anfang an nicht gelingt, Ordnung zu gewährleisten und ihn wie geplant in das schulische Leben einzubinden. Als die Riesenförderung auf dem Tisch lag, wurde einfach umgesetzt, ohne Personal und Personalkosten an die neuen Bedürfnisse anzupassen und offenbar ohne wirkliches Nutzungskonzept

Es ist ein besonderes Dilemma, wenn aus politischen Gründen Themen nicht angegangen werden, wie zum Beispiel die Anpassung der Schullandschaft an die von der Ratsmehrheit geplante massive Vergrößerung der Stadt und ihrer Bevölkerung. Es reicht nicht, neue Kindergärten in die Pläne der Seeterrassen einzuzeichnen. Wir tragen dafür die Kosten. Wir müssen uns auch Gedanken machen, wo die größeren Geschwister, die zusammen mit den Kindergartenkindern hierherziehen werden, in die verschiedenen, allesamt gut gefüllten, Schulen gehen sollen. Auch ein angepasstes Verkehrskonzept fehlt bislang und wird auch nicht angegangen. Dabei gibt es auch noch die Römergärten und demnächst das Gelände der Strumpffabrik, deren Einwohner:innen und Fahrzeuge alle die jetzt schon überlastete Infrastruktur nutzen wollen.

Möglicherweise muss man einfach auswählen, welche Projekte wirklich sinnvoll sind und welche nicht. Unsere Haltung zu und der Umgang mit solchen Projekten müssen sich ändern. Es kommt nicht mehr nur auf Zuschüsse an, sondern auch darauf, die geförderten Maßnahmen umsetzen zu können. Last but not least muss auch eine Akzeptanz in der Bürgerschaft für solche Projekte hergestellt werden, wenn man nicht an ihr vorbei planen will.

Die Rahmenbedingungen für die Haushaltsgestaltung sind allgemein für Kommunen so eng, dass über Pflichtaufgaben hinaus nur ein geringer Entscheidungsspielraum besteht. Trotz vieler geförderter Projekte ist auch der Zülpicher Haushaltsentwurf damit in weiten Teilen kaum eine politische Entscheidung, sondern vielmehr Geschäft der laufenden Verwaltung.

Wir erkennen an, dass es der Verwaltung in Zülpich seit 2016 gelungen ist, einen ausgeglichenen Haushalt ohne weitere Erhöhung der Grundsteuer zu erstellen. Wir sind davon überzeugt, dass wir die Folgen der Corona-Pandemie und der verheerenden Flut nur gemeinsam mit allen politischen Kräften bewältigen können und müssen.

Bei allen deutlich erkennbaren Unterschieden zwischen uns und der Kooperation aus CDU und SPD wollen wir GRÜNE als vor Ort erfahrbare Gestalter:innen der Demokratie Gemeinsamkeiten beim
Haushalt in den Mittelpunkt stellen bzw. Themen gemeinsam gestalten. Wir machen dieses Angebot wie im letzten Jahr, weil wir es weiterhin richtig finden, allerdings ohne wirkliche Hoffnung auf mehr Kooperationsbereitschaft bei CDU und SPD. Diese konnten wir leider auch im letzten Jahr nicht erkennen.

Wir sehen den Haushalt auf einem weiterhin guten Weg, weil
mittelfristig keine neue Schuldenaufnahme geplant ist
die Altschulden konsequent weiter abgebaut werden
die Finanzsituation weiterhin stabil ist

Uns fehlt jedoch
eine Aktualisierung der Haushaltsprodukte mit aussagekräftigen Kennzahlen und
konkreten Zielvereinbarungen mit dem Rat, um den Haushalt effizienter steuern zu können

In dem Beschluss des letzten Strukturausschusses zur Einführung eines Klimaschutz- und Energiemanagements, die fachübergreifend wirksam sein müssen, sehen wir einen guten Schritt hin zu einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Haushaltsstrategie.

Wir freuen uns, wenn auch für weitere Projekte unser Wahlprogramm herangezogen wird. Dort finden sich noch weit mehr zukunftsweisende Ideen.

An dieser Stelle danken wir der gesamten Verwaltung und dem Kämmerer für die jederzeit offene und gute Kommunikation im Rahmen der Haushaltsberatungen und auch während des gesamten vergangenen Jahres bei vielen anderen Gelegenheiten.

Unter Berücksichtigung der positiven Zukunftsperspektiven stimmen Bündnis90/Die Grünen dem vorgelegten Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 zu.