Nachfolgend möchten wir die Haushaltsrede von Bernd Schierbaum, Mitglied der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN im Rat der Stadt Zülpich, die am 27.04. bei der 16. Ratssitzung im Forum gehalten wurde, mit euch teilen.
Meine Damen und Herren,
auf den Haushalt 2023 passt ein Zitat, das mich als Kind der Umweltbewegung schon viele Jahrzehnte begleitet. Es soll von einem Häuptling des Stamms der Sioux stammen und lautet: „Jammern ist auch keine Lösung!“.
Das gibt in zweierlei Weise eine gute Vorgabe zum Handeln: Zum einen möchten wir nicht jammern, dass wir als einzige links orientierte Fraktion in diesem Rat häufig andere Vorstellungen als die konservative Mehrheit haben und unsere Anträge häufig abgelehnt werden, sondern wir wollen unsere Ideen immer wieder begründet einbringen.
Zum anderen hilft es nicht, wenn wir uns den Klagen über die schwere Lage und über die hohen Anforderungen anschließen und Schwarzer Peter mit Kreis, Land und Bund spielen.
Auf allen Ebenen, auch in der Privatwirtschaft, gilt es mit einer Welt klarzukommen, die schnelllebiger, unsicherer und komplexer geworden ist. Besonders schwer für Entscheidungsfindungen ist der Umstand, Herr Bürgermeister, dass kaum eine Lösung wirklich alternativlos ist. Um mit diesen Verhältnissen deutlich besser umzugehen, wurde schon vor über 20 Jahren von Firmen der Softwareentwicklung eine neue Arbeitsweise entwickelt, die auf Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Kundenorientierung setzt. Diese so genannte agile Arbeitsmethode hält aktuell Einzug in nahezu alle Dienstleistungsbereiche und Behörden. Auch unsere Verwaltung muss sich diesem Trend öffnen, um mit der vorhandenen Zeit und den personellen Ressourcen das Richtige zu tun.
Dies erfordert eine eindeutige und stetige Priorisierung. Dabei haben für uns die Bereiche Bildung, Klima- und Artenschutz sowie Bevölkerungsschutz oberste Priorität.
Leider mussten wir im Schulausschuss vor wenigen Wochen hören, dass die Stadt sich eine bedarfsgerechte Einrichtung von Eingangsklassen an Grundschulen nicht leisten kann. Zur Schaffung der möglichen 14 Eingangsklassen sei auch perspektivisch kein Geld da, weshalb die Mehrheit billigend in Kauf nimmt, Grundschulkinder in 30er Klassen zu pferchen. Dieser Mangel lässt sich nicht ausgleichen durch die schon beschlossenen Neu- und Erweiterungsbauten, mit denen wir lediglich der Entwicklung hinterherlaufen. Die vorliegenden Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Wir brauchen künftig eher noch mehr und in keinem Fall weniger Schulklassen im Grundschulbereich. Die Prognose für Schulneulinge lag für das kommende Schuljahr bei 216 Kindern. Für 2024 liegt sie bei 233. Hinzu kommen ein verstärkter Zuzug in die Neubaugebiete und Kinder aus geflüchteten Familien. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir im nächsten Schuljahr sogar 15 Eingangsklassen bilden können, ist basierend auf diesen Zahlen sehr hoch. Dass die Schüler:innenzahlen zurückgehen, kann man hingegen mit hoher Sicherheit ausschließen. Die Bereitstellung von Räumen für unsere Schulen ist eine kommunale Pflichtaufgabe. Dafür erhalten wir momentan jährlich 830.000 Euro vom Land. In diesem Jahr ließen sich über Behelfslösungen durchaus 14 Eingangsklassen bilden. Wir brauchen nur den Mut und die Weitsicht, dass wir jetzt festlegen, die Ausgaben für die notwendigen Anbauten in kommenden Jahren zu stemmen. Da Politik und Verwaltung dieses Prinzip beim Ausbau von Straßen anwenden, sollten wir das ganz sicher beim Ausbau von Schulen machen.
Wenn es um die Bekämpfung des Klimawandels geht, ist es wichtig, dass wir als Stadt die Dächer unserer Gebäude flächendeckend mit Photovoltaik ausstatten. Während die Verwaltung klar macht, dafür nicht ausreichend Personal zu haben, war es ihr dennoch möglich, Leitlinien für Freiflächen-Photovoltaik zu erstellen, die keinerlei rechtliche Verbindlichkeit haben. Diese Priorisierung halten wir für falsch.
An der Römerallee soll eine Clima-Via entstehen, mit der nicht der Klimawandel, sondern seine Folgen bekämpft werden. Im Vorgriff auf bis heute immer noch nicht begonnene Baumaßnahmen wurden schon 2022 27 Bäume an der gleichen Römerallee gefällt. Wenige hundert Meter von der geplanten Clima-Via entfernt wurde eine Baumaßnahme mitten in einem Waldgebiet genehmigt. Anspruch und Wirklichkeit liegen hier sehr weit auseinander.
Immerhin sind in diesem Haushalt 34 Millionen Euro für Investitionen vorgesehen. Da kann wirklich niemand behaupten, wir hätten kein Geld. Es ist allerdings sehr zweifelhaft, ob wir diese Maßnahmen zeitgerecht durchführen werden. In den letzten Jahren ergab sich regelmäßig ein erheblicher Haushaltsüberschuss, der darauf zurückzuführen ist, dass Maßnahmen aufgrund von Fachkräftemangel gestreckt werden mussten. So liegt als ein Ergebnis eine Ausgleichsrücklage von fast 5 Millionen Euro vor. In diesem Zusammenhang davon zu sprechen, dass wir kein Geld für Investitionen in Schulgebäude haben, können wir nicht nachvollziehen. Wir werden den Haushalt auch deshalb anders als in den letzten beiden Jahren ablehnen.
Nichtsdestotrotz werden wir uns weiterhin konstruktiv einbringen. Ein Blick auf den Stellenplan zeigt eine erschreckende Unterbesetzung in der Verwaltung. Gerade im Bereich der Jugendsozialarbeit leiden wir dabei unter dem Beschluss, diese Stellen bei der Stadt Zülpich zu belassen. Für die Jugendhilfe ist der Kreis zuständig und dieser bietet wesentlich attraktivere Bedingungen und mehr Möglichkeiten zur Kompensation fehlender Fachkräfte. Wir hoffen sehr, dass im Sinne von mehr Jugendarbeit diese Stellen künftig verlagert werden. Die Stellen des Klima- und Energiemanagers müssen zumindest ausgeschrieben werden, da es lange dauern kann, geeignete Bewerber:innen zu finden.
Die Stadtentwicklungsgesellschaft hat ihre ursprüngliche Daseinsberechtigung verloren, da wir ihre Aufgaben nahezu komplett an die Firma F&S abgetreten haben. Wir halten es für eine gute Idee, der Stadtentwicklungsgesellschaft künftig weitere Aufgabenbereiche zu übertragen und sie zum Beispiel zur städtischen Energiegesellschaft umzubauen, die unter anderem Photovoltaik-Anlagen auf städtischen Grundstücken betreibt.
Wir müssen den Beschlüssen für das riesige Neubaugebiet Seeterrassen Rechnung tragen und schlagen deshalb vor, so schnell wie möglich den Schulentwicklungsplan fortzuschreiben. Auch andere Bereiche der Versorgung, wie eine ausreichende Anzahl an Supermärkten, müssen im Hinblick auf 1.500 zusätzliche Bürger:innen geprüft werden. Die Folgekosten der Planungspolitik müssen seriös im Haushalt verankert werden.
Sowohl bei der Stadtplanung als auch bei unseren Schulen stelle ich fest, dass uns der Platz zur Seite fehlt und wir in guter Zülpicher Tradition besser noch ein Stockwerk draufsetzen sollten, damit in Zöllechs ahle Muure ein frischerer Wind weht.
Ich danke an dieser Stelle Herrn Antons und Herrn Voigt für die bereitwillige Beantwortung unserer Fragen.